Wie Familie einen selbst prägt

Wunderbarer Artikel zu dem Thema, wie wir durch unserer Familien geprägt sind; inklusive großartiger Zitate von Dr. Bernd Schumacher. Unbedingt lesen!

"Die Familie, das lerne ich in vielen Therapiesitzungen, hat eine sichtbare Macht über uns und eine unsichtbare. Sie ist das stärkste soziale Gefüge. Auch wenn wir sie ablehnen, richten wir uns nach ihr aus. Sie ist das Bezugssystem – auch wenn wir gegen sie opponieren. Deshalb stellen Erwachsene manchmal fest, dass sie nie wie ihre Eltern werden wollten, aber darüber vergessen haben, zu erkunden, wer sie eigentlich sein wollen. Der Psychoanalytiker und systemische Familientherapeut Helm Stierlin hat die Spannung zwischen der Individualität des Einzelnen und der Bezogenheit auf seine Herkunftsfamilie als "bezogene Individuation" beschrieben. Wer sich auf jemanden bezieht, obwohl er ihn ablehnt, ist immer noch abhängig von ihm. Die bezogene Individuation ist gelungen, wenn man selbstständig und unabhängig Entscheidungen treffen kann. Der Psychotherapeut Bernd Schumacher, der an der Universität Heidelberg intensiv zur Familientherapie geforscht hat und dem ich am Telefon von meiner Geschichte erzähle, formuliert es so: "Obwohl meine Eltern wollen, dass ich Jura studiere, studiere ich Jura." 

"Für die Langzeitstudie LifE der Universitäten Potsdam, Zürich und Konstanz wurden 1600 Personen über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren zur eigenen Entwicklung befragt. Die Studie hat bestätigt: Kinder übernehmen die Werte der Eltern. Priming heißt diese Prägung. Unser Gedächtnis imprägniert sich im Laufe seiner Entwicklung mit Inhalten. Die werden unbewusst noch vor der eigentlichen bewussten Entscheidung abgerufen. So werden wir unbewusst von gelernten Inhalten geleitet. Ich habe gelernt, dass meine Mutter nicht glücklich war, und handelte stets in Opposition zu ihr. Sie war die Schwache, ich die Starke. Ich war die Rote Zora, die Anführerin, die Mutige. Die, die vorpreschte, wenn andere sich zurückzogen. Ich übernahm Verantwortung. Auch für sie. Doch sosehr ich mich auch in Opposition zu ihr begab, ich wurde von meiner Mutter geprägt. Es ist wieder das Prinzip der Bezogenheit: Solange ich mich in Opposition oder einer Kampfbeziehung zu meiner Mutter befinde, beziehe ich mich auf sie. Ich bin emotional viel abhängiger von ihr, als ich denke.

"Wenn Sie denken, dass Sie etwas wiederholt haben, und es Ihnen hilft – wunderbar. Ich glaube, das ist nur eine Konstruktion. Sie werden immer Ähnlichkeiten finden, wenn Sie danach suchen", sagt der Psychotherapeut Bernd Schumacher. Doch die Wiederholung, ob Konstruktion oder nicht, ist ein Erkenntniskatalysator. "Ich glaube, das, was bei Tieren der Instinkt ist, ist bei Menschen der Sinn. Wir versuchen Zusammenhänge herzustellen, damit die Dinge einen Sinn ergeben. Wir suchen ständig nach Sinn. Wir leben immer in Mustern", sagt Schumacher noch. "Es ist die Frage der Bewertung dieser Muster, die den Umgang mit ihnen verbessert. Welches nützt mir, welches behindert mich? Bin ich mir meines Musters bewusst?"

https://www.zeit.de/…/…/47/familie-mutter-praegung-therapie…

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